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AutorenbildKerstin Tscherpel

🐜Überfall

Ich bin überfallen worden. Die Angreifer waren zahlreich und kamen mitten in der Nacht. Sie näherten sich so leise, dass ich nur durch ein leichtes Krabbeln unter der Wange wachgeworden bin. Erst dachte ich, ich bilde mir das nur ein und habe vermutlich schlecht geträumt. Aber um sicher zu gehen, habe ich doch die Nachttischlampe angeschaltet. Und tatsächlich, da waren sie. Winzig kleine Ameisen krabbelten überall auf dem Handtuch, das ich zum Schutz meines Kopfkissens untergelegt hatte. Völlig schockiert von dem Anblick und der Vorstellung, dass vielleicht genauso viele in meinen Haaren krabbeln, bin ich aus dem Bett gesprungen. Das Handtuch habe ich erst mal auf den Balkon geworfen und dann bin ich eilig ins Badezimmer unter die Dusche. Unter der Dusche habe ich nachts um zwei Uhr dreimal meine Haare gewaschen. Sicher ist sicher.

Frisch geduscht und mit neuem Schlaf-T-Shirt, habe ich mich vorsichtig wieder dem Bett genähert. Mein Kleiner hat das ganze verschlafen. Keine einzige Ameise hat sich für ihn interessiert. Auch auf meiner Seite war keine mehr zu sehen. So als wäre nichts gewesen. Das ist hier in Indien ein Phänomen. Diese winzigen Pharaoameisen, die man mit dem bloßen Auge kaum sieht, kommen innerhalb weniger Minuten in Scharen, wenn man etwas leckeres zu Essen irgendwo liegen lässt. Sie bevorzugen nach meiner Erfahrung Fette und Öle. Regelmäßig finde ich sie an meinen Kosmetiktuben, so dass ich jetzt fast alles im Kühlschrank verwahre. Dem einzigen ameisensicheren Ort. Diese Vorliebe für Öl muss sie wohl auch mitten in der Nacht zu mir ins Bett gelockt haben. Weil ich meinen Haaren noch was Gutes tun wollte, habe ich eine Amla-Ölkur aufgetragen, die über Nacht einwirken sollte. Das war wohl unwiderstehlich für die Ameisen. Es graust mich immer noch bei der Vorstellung wie sie in meinen Haaren krabbeln.

Überrascht hat mich auch die Erkenntnis, dass indische Ameisen, oder zumindest die Pharaoameise, nachts nicht schläft, so wie das ordentliche deutsche Ameisen machen. Also habe ich jetzt wieder einen Ameisenköder an der Ecke meiner Matratze platziert. Auch ohne Öl im Haar fühle ich mich damit einfach sicherer. Die Vorstellung wieder von krabbelnden Ameisen geweckt zu werden, ist einfach zu schauerlich, um ruhig schlafen zu können.

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