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Beim Gynäkologen

Autorenbild: Kerstin TscherpelKerstin Tscherpel

Ohne jetzt näher darauf einzugehen, wie es dazu kam, möchte ich doch über den Besuch bei der Gynäkologin berichten. Einfach, weil das wieder so eine Differenzerfahrung war.

Vom Cola Beach dauert die Fahrt über eine Stunde in die nächste größere Stadt. Die Gynäkologin hat ihre Praxis im 5. Stock eines für deutsche Verhältnisse schon runtergekommenen Gebäudes. Nach einem kurzen Blick auf den Fahrstuhl fällt die Entscheidung für die Treppe, da der Fahrstuhl wirkt als wäre er außer Betrieb oder sollte es sein.


Außer Atem im 5. Stock angekommen steht man unvermittelt im Wartebereich. Das ganze Treppenhaus ist voll Stühle gestellt, auf denen überraschenderweise lauter Männer sitzen. Die Vermutung liegt nahe, dass vielleicht auch ein Urologe seine Praxis hier hat. Das Irritierende ist, dass keine andere Praxis auf diesem Stockwerk zu sehen ist. Was die wartenden Männer damit nicht erklärt. Vor der Eingangstür der Praxis stehen Flipflops über Flipflops, was ich auch seltsam finde. Betritt man die Praxis etwa barfuß? Ich finde das ja nicht besonders hygienisch und bin mal wieder froh, dass ich meine Sneaker mit Söckchen trage.

Nach dem Eintreten werde ich tatsächlich gebeten, meine Schuhe auszuziehen. Als ich unsicher nachfrage, ob denn gesichert sei, dass die Schuhe nachher noch da sind. Schaut mich die junge Arzthelferin verständnislos an und meint, ich solle meine Schuhe dann hinter die Tür draußen stellen. Warum die dort sicherer sind, erschließt sich mir allerdings nicht.

Im Wartezimmer selbst, sitze ich eine ganze Weile und immer wenn vorne in der Stuhlreihe ein Patient aufgerufen wird, müssen die anderen einen Platz nachrücken. So scheint man die Reihenfolge zu gewährleisten.


Während ich warte schaue ich mich im Wartezimmer um. Es sind auffallend viele Schwangere da. Das könnte tatsächlich daran liegen, dass man als Schwangere eher die Gynäkologin aufsucht. Auf einem Bildschirm in der Ecke laufen kitschige Boolywoodsongs und an der Wand im Wartezimmer hängen Plakate. Eines überrascht mich. Es wirbt für die Existenzberechtigung von Mädchen.

Ich hätte nicht erwartet, dass das heute noch so bedeutsam ist. Die Regeln hier sind diesbezüglich sehr streng. Die Ärzte sind nicht befugt, das Geschlecht zu verraten. Die ganze Schwangerschaft über nicht. Abtreibungen sind in Delhi wohl generell nicht erlaubt. In anderen Bundesländern aber schon. Wie das in Goa ist, weiß ich nicht. Vielleicht soll das Plakat aber nur den Arzt legitimieren, das Geschlecht nicht zu verraten. Eben zum Schutz der Mädchen.


Weil ich eh nichts anderes zu tun habe, recherchiere ich und stoße auf einen Artikel im Guardian. Dieser beschreibt, dass das Verhältnis von etwa 929 Mädchen auf 1000 geborene Jungs in den letzten drei Jahren auf 1000 zu 1000 gestiegen ist. Somit scheint die Kampagne gefruchtet zu haben.


Endlich kann ich bei der Ärztin vorsprechen. Diese ist sehr nett und gibt mir zusätzlich noch eine allgemeine Beratung zur gesunden Lebensführung. Der Besuch inklusive Medikamente kostet dann umgerechnet etwa 15,- €.


Für die medizinische Alltagsversorgung braucht man hier als Expat wirklich keine Krankenversicherung. Das kann man aus der Portokasse bezahlen.


Die Männer, die draußen warten, sind wohl zum Bezahlen dabei. Ach, und die Schuhe waren dann auch noch da. Gott sei Dank!



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