top of page

Capsule Wardrobe und der Sammeltrieb einer Frau

  • Autorenbild: Kerstin Tscherpel
    Kerstin Tscherpel
  • 4. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

ree

Berge von Klamotten türmen sich auf meinem Boden. Ziel ist es, radikal auszusortieren und am Ende einen Wohlfühlkleiderschrank zu besitzen – oder vielleicht sogar eine Capsule Wardrobe. Ob ich es allerdings schaffe, mich soweit zu reduzieren, bezweifle ich.


Der unfreiwillige Startschuss hatte 6 Beine und wohnte in meinem Türrahmen


Unsere Termitenplage zwingt mich, den Kleiderschrank komplett zu leeren. Wenn der Schrank schon leer ist, kann man ihn auch sinnvoll wieder einräumen, denke ich mir. Ich stöbere auf Pinterest, lese über Capsule Wardrobes und träume davon, morgens schneller zu einer Entscheidung zu kommen. Bislang fühle ich mich bei der morgendlichen Kleiderwahl nämlich mehr wie Bridget Jones, die dann am Ende doch wieder im selben schwarzen Rock ins Büro geht.

Das Problem mit den Capsules ist aber, dass sie auf mich oft trist und langweilig wirken. Vielleicht sollte ich lieber eine minimalistische Wohlfühlgarderobe einrichten mit etwas mehr Farbe und Abwechslung?


Die erschreckende Wahrheit


Nachdem ich alles in Kategorien sortiert habe, beginnt die Inventur. Allein beim Anblick der Stapel voller Kleider, Hosen und Oberteile fühle ich mich schon überwältigt. Tatsächlich besitze ich allein 25 Sommerkleider, über 10 Röcke, 20 Hosen und fast 40 Oberteile. Kein Wunder, dass ich morgens viel zu lange brauche, um ein Outfit auszusuchen. Ich leide unter Auswahlüberlastung!


Wie konnte es soweit kommen? Natürlich weil ich offensichtlich zu viel kaufe und zu wenig ausmiste. Aber warum habe ich permanent das Gefühl, nicht genügend zum Anziehen zu besitzen und was Neues kaufen zu müssen. Das ist bei der Menge in meinem Kleiderschrank objektiv betrachtet mehr als absurd.


Meine archaischen Wurzeln


Meine These: Shoppen ist unser moderner Sammeltrieb. Früher sammelten Frauen Beeren und Pilze und heute eben Kleider. Durch eigene Erfahrung weiß ich, dass das Glücksgefühl beim Fund eines schönen, großen Steinpilzes dem beim Kauf eines schönen Kleides sehr ähnlich ist. In unserer Gesellschaft bleibt unser archaischer Sammeltrieb meist unbefriedigt und daher kompensieren wir ihn beim Shoppen. Nur das Kleider nicht gegessen werden und der Berg im Schrank einfach weiterwächst.


Wenn der Kleiderschrank zum Bootcamp wird


Schnell stelle ich fest, dass dieses Projekt viel größer ist, als ich gedacht hatte. In meiner Vorstellung hatte ich dafür zwei halbe Tage am Wochenende eingeplant. Nun zieht sich das Ganze schon über eine Woche, und es sind immer noch Stapel übrig. Vor allem bin ich durch meine Entscheidungskapazität begrenzt. Irgendwann merke ich, dass ich zu keiner Entscheidung mehr fähig bin. So arbeite ich mich täglich durch eine Kategorie – und selbst das ist schon grenzwertig. Ich ziehe alles aus dieser Kategorie an und mache Fotos. Diese lade ich bei ChatGPT hoch, für eine objektive Zweitmeinung.

Ich versuche, alles auszusortieren, worin ich mich nicht wohlfühle – und das ist überraschend viel.

Das eine ist zu kurz, das andere kneift unterm Arm, das dritte fühlt sich irgendwie kratzig auf der Haut an und das vierte ist nicht gerade figurschmeichelnd.

ree

Der Berg der Fehlkäufe


Ein neuer Berg voller aussortierter Klamotten bildet sich. Besonders schlecht fühle ich mich, wenn das gute Stück ungetragen und damit ein klassischer Fehlkauf war. Das passiert mir häufig, wenn ich eigentlich nach was Bestimmtem suche und nichts Geeignetes finde. Dann kaufe ich irgendeinen Kompromiss, damit ich nicht völlig erfolglos war. Ich darf gar nicht darüber nachdenken, wie viel Geld ich damit verschwendet habe.


Meine neuen Regeln fürs Shopping


Für die Zukunft nehme ich mir Folgendes vor:


  1. Nur noch das kaufen, worin ich mich absolut wohlfühle!

  2. Keine Onlinebestellungen mehr, weil man nie weiß, wie es sitzt

  3. Nur nach gezielter Einkaufsliste shoppen.

  4. Keine weiteren Kleider – und schon gar nicht weiß mit floralem Muster.

  5. Vorsicht bei blauen und schwarzen Teilen, weil ich davon schon so viel habe.


Ein kleines Hintertürchen


Ich drucke mir Fotos mit den Outfits aus und klebe sie in meinen Schrank, um mir morgens die Entscheidung zu erleichtern. Aber wenn ich ehrlich bin, hab ich geschummelt. Ich habe mir zwar eine Wohlfühl-Capsule in meinem Hauptschrank angelegt, habe aber gleichzeitig als Hintertürchen einen zweiten Schrankteil für besondere Teile reserviert, die so gar nicht capsule-tauglich sind.

Trotzdem bin ich stolz auf mich, weil ich mich durch alle meine Klamotten durchprobiert habe und dabei viel ausgemistet habe. Auch wenn am Ende nicht die super-minimalistische Capsule übrig geblieben ist. Schließlich liebe ich die Abwechslung und mag es eben auch oft ein bisschen bunter.



Mein Fazit


Jetzt besitze ich deutlich weniger und muss erst mal herausfinden, wie sich das anfühlt.

Mein Mann kommentiert den ganzen Prozess nur mit dem trockenen Spruch: “Wie’s aussieht brauchst du die nächsten Jahre NICHTS mehr einkaufen!”

Aber was verstehen Männer schon von Frauen und ihrer Beziehung zu Klamotten.

Hier in Delhi kann ich keine Pilze sammeln. Wenn ich jetzt auch nicht mehr shoppen kann, bleibt mir nur noch das Puzzeln.

Fast so befriedigend wie ein Korb voller Steinpilze.

Kommentare


  • Facebook
  • Twitter
  • LinkedIn

©2021 10 feet in india. Erstellt mit Wix.com

bottom of page