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Das Leben in der Vivekanand Community

  • Autorenbild: Kerstin Tscherpel
    Kerstin Tscherpel
  • vor 4 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

Ein Slum, nur einen Steinwurf von der Deutschen Schule entfernt.


Die Deutsche Schule in New Delhi ist auf dem Gelände der Bulgarischen Botschaft integriert. Sie liegt in Chanakyapuri, dem Botschaftsviertel in New Delhi. Um die Ecke ist die Amerikanische Schule und ihr gegenüberliegt die Vivekanand Community – ein Slum.

Wenn ich mit den Schülern einmal um den Block spaziere, kommen wir direkt daran vorbei. Das Viertel oder Slum, wie wir ihn bezeichnen würden, ist von einer Mauer umgeben. Nur durch ein paar Eingänge erhascht man Blicke in die engen Gassen. Nach außen wirkt es schmutzig und chaotisch, eng und beklemmend. Meistens wechseln wir die Straßenseite, damit wir nicht direkt daneben laufen. Denn aus dem Viertel läuft in kleinen Bächen das Schmutzwasser heraus. Es riecht unangenehm.


Wie ist das Leben in dieser Community? Sind die Menschen glücklich?

Dieser Frage ist eine Gruppe von Schüler:innen nachgegangen. Sie haben zusammen mit einem Kollegen den Schritt in das Viertel gewagt und die Menschen, vor allem aber Frauen und Mädchen, befragt.


Die Fotos sind mit Genehmigung dem Dokumentationsvideo: Frauen in der Vivekananda Community_New Delhi (Dez. 2023) entnommen.


Die Community ist aus kleinen, bunten, etwas heruntergekommenen Steinhäusern oder Bretterverschlägen aufgebaut. Gerade so groß wie ein kleines Zimmer. Die Eingangstür ist oft nur mit einem bunten Tuch verhängt, Fenster besitzen die kleinen Häuser nicht. Seltsamerweise sind aber Satellitenschüsseln oben auf den Wellblechdächern angebracht. Wofür?

Die Gassen zwischen den bunten Häusern sind schmal. Gerade breit genug, dass zwei Personen aneinander vorbeigehen können. Neben und vor den Häusern stehen überall leere Eimer und Wasserkanister.

Stromkabel hängen in Schleifen von Haus zu Haus. Bunte Saris und Kinderkleidung hängen zum Trocknen an Wäscheleinen, die kreuz und quer im Viertel gespannt sind. Trotzdem wirkt die Community von innen nicht mehr ganz so abschreckend und schmutzig. In den schmalen Gassen liegt kaum Müll. Vor manchen Häusern steht ein geparktes Fahrrad oder auch das eine oder andere Moped. Überraschenderweise gibt es sogar Häuser mit Klimaanlage. In einem Haus kann man auch einen Kühlschrank durch die offene Tür sehen.

Tatsächlich wirkt die Community bei näherem Hinsehen gar nicht mehr so ärmlich. Die Menschen sind wohlgenährt und auch nicht in Lumpen gekleidet oder ungepflegt.


Arushi möchte Lehrerin werden, Karteri Devi und ganz rechts die Schwestern Asha & Pushba


In den Interviews, die auf Hindi geführt wurden, traten interessante Beobachtungen zu Tage:


1. Die meisten Frauen und Mädchen leben dort schon ihr Leben lang.

2. Viele der Bewohner in Vivekanand arbeiten in den umgebenden Botschaften und Schulen.

3. Meist leben mehrere Generationen unter einem Dach.

4. Die Kinder gehen alle in eine Schule und lernen dort auch Englisch.

5. Die Menschen äußern auf Nachfrage zu ihrer Zufriedenheit, dass sie zufrieden seien und das Leben in der Community gut fänden.

6. Traditionelle Bräuche prägen den Alltag und arrangierte Ehen sind normal.

7. Frauen fühlen sich mit den Männern gleichberechtigt. Es gehen auch beide arbeiten. Manche Frauen bleiben aber auch bei den kleinen Kindern zu Hause.

8. Von der Regierung erhält die Community Lebensmittelspenden und Wasserlieferungen. Die Wasserlieferungen kommen per Tanklaster dreimal täglich, und die Menschen müssen ihren Teil in Eimern und Kanister abfüllen lassen. Die Wassermenge scheint nicht rationiert zu werden.


Wasserlieferung mit dem Tanklaster an der Vivekanand Community
Wasserlieferung mit dem Tanklaster an der Vivekanand Community

Der einzige wirkliche Kritikpunkt der Menschen aus der Community ist die Wasserversorgung. Hierfür muss immer jemand zu Hause bleiben, der das Wasser dann in den Eimern oder Kanistern, die vor den Häusern stehen, in Empfang nimmt. Oft holen auch die Kinder das Wasser. Das ist mühsam. Es fehlt ein Anschluss an die städtische Wasser- und Abwasserversorgung. Dieser würde das Leben der Menschen in Vivekanand enorm verbessern.


Obwohl die Menschen in der Vivekanand Community jeden Tag das Leben der Wohlhabenden mit ihren Autos und Fahrern vor Augen haben, sind sie mit ihren begrenzten und einfachen Verhältnissen zufrieden. Das wirft natürlich die Frage auf, ob materieller Reichtum zufriedener oder glücklicher macht?

Was macht das Leben der Menschen in ihrer Community lebenswert? Nun, ich denke, es ist vor allem ihr soziales Netz und die Familie. Sie leiden keinen Hunger und haben sogar ein Dach über dem Kopf gegen Regen und Kälte, ihre Kinder gehen zur Schule und das Leben geht seinen natürlichen Gang, mit Heirat, Kindern, Arbeit. Mehr also als die Menschen, die hier wirklich auf der Straße leben und jetzt im Winter in aufgestellten Schutzzelten zu acht auf wenigen Quadratmetern Schutz vor der Kälte suchen.

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