Die Geister der Vergangenheit
- Kerstin Tscherpel
- 28. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Wann stellt man sich den Geistern seiner Vergangenheit?
Wahrscheinlich gibt es darauf keine allgemeingültige Antwort. Meinen Geistern der Vergangenheit begegne ich, indem ich unser Haus in Deutschland leerräume.
Wie bereits im gleichnamigen Artikel erwähnt, „krempeln wir unser Leben um“. Wir haben unser kleines Reihenendhaus in Schwäbisch Hall erfolgreich verkauft. Nun heißt es: Hab und Gut zusammenpacken. Alles, was wir behalten wollen, aber in Indien gerade nicht benötigen, soll in eine Garage passen. Denn genau dort werden wir die Sachen während unseres restlichen Aufenthalts in Delhi zwischenlagern.
Das ist ziemlich ambitioniert. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir einen Haushalt mit drei Kindern auflösen – und sich über Jahrzehnte so einiges angesammelt hat. Also wird aussortiert, entrümpelt – und dabei tauchen sie auf: die Geister der Vergangenheit.
Sie begegnen mir besonders in Form verstaubter Bücher.
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Ich habe einen Hang zu Büchern.
Über meine Sammlung kann man fast jede meiner Lebensphasen nachzeichnen:
Die eifrige Biologiestudentin mit einer umfassenden Studiensammlung
Die engagierte Hundebesitzerin mit mehreren Hundebüchern
Die idealistische Mutter mit dutzenden Ratgebern zur Kindesentwicklung
Und schließlich die ambitionierte Biologielehrerin mit jeder Menge Schulbücher
Das holt mich jetzt alles ein. Besonders, weil ich viele dieser Bücher nie gelesen habe. Sie standen einfach nur im Regal.
Jetzt bleibt nur: sich den Geistern der Vergangenheit stellen.
Aber wie macht man das eigentlich?
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Ehrlichkeit hilft
Am besten, indem man ehrlich zu sich selbst ist – und sein Selbstbild nicht vom Besitz abhängig macht.
Das Horten unzähliger Bücher macht mich nicht automatisch zu einer besseren Mutter, Hundebesitzerin oder Lehrerin – selbst wenn ich alle gelesen hätte.
Jetzt ist der richtige Moment, diesen Ballast abzuwerfen.
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Mein System beim Ausmisten
Zur Umsetzung orientiere ich mich an Marie Kondo.
Ich sortiere alles in drei Kategorien:
1. WEG
2. BEHALTEN
Weiß ich noch nicht
Das klingt schlicht – funktioniert für mich aber hervorragend.
Die meisten Dinge landen direkt in Kategorie 1 oder 2. In Kategorie 3 kommen oft Gegenstände mit emotionalem Wert, bei denen die Entscheidung schwerfällt.
Um zwischen „WEG“ und „BEHALTEN“ zu entscheiden, frage ich mich:
• Habe ich das im letzten Jahr benutzt?
• Bin ich wirklich zufrieden damit?
• Erfüllt es seine Funktion für mich?
Wenn ich nicht klar „Ja“ sagen kann, kommt es in die WEG-Kategorie.
Die Sachen in Kategorie 3 schaue ich mir am nächsten Morgen nochmal an – dann ist die Entscheidung oft leichter.

Am Ende haben wir Berge voller Sperrmüll in unserem Garten, deren Entsorgung nicht nur anstrengend, sondern auch kostenintensiv wird.
Meine alten Tagebücher verbrenne ich in unserer Feuerschale. Ich beobachte dabei fasziniert, wie die lodernden Flammen das Buch langsam verzehren und in ein obskures Gebilde verwandeln, das an einen rußigen, schwarzen Baumpilz erinnert. Die Geister der Vergangenheit steigen als Rauch auf und am Schluss bleibt nichts anderes als ein Häufchen Asche. Vielleicht die nährende Grundlage für den Neuanfang?

Was ich daraus lerne
Die größte Erkenntnis bisher:
Mehr als die Hälfte unseres Besitzes ist eigentlich überflüssig.
Und damit – nüchtern betrachtet – reine Geldverschwendung.
Paradebeispiel:
Der edle Spiralschneider von WMF, den ich nie benutzt habe. Ausgepackt, eingestaubt, nie gebraucht. Denn letztlich mochten wir die guten italienischen Spaghetti doch immer lieber als die diätische Zucchinivariante.
Der verzweifelte Verkaufsversuch auf eBay Kleinanzeigen dient dann nur noch der Schadensbegrenzung und geht meist mit viel Aufwand und wenig Gewinn einher.
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Ein neues Konsumverhalten?
Zukünftig werde ich jede Anschaffung doppelt und dreifach überdenken.
Spontankäufe bei Aldi Aktuell oder Tschibo setze ich auf meine persönliche Verbotsliste.
Damit hoffe ich, dem ewigen Konsumzwang unserer Gesellschaft ein wenig zu entkommen.
Ob das gelingt, wird sich wohl erst beim nächsten Umzug zeigen. Mein Mann hat eine Statistik aufgemacht, bei der er festgestellt hat, dass wir im Durchschnitt alle 4 Jahre umziehen.
Zumindest bin ich in Indien vor Spontankäufen bei Aldi Aktuell und Tschibo sicher. Somit wird es in vier Jahren schon nicht so schlimm werden, hoffe ich.
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