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Wenn Chaos zur Routine wird – mein Leben zwischen Papierstapeln und Thermodynamik

  • Autorenbild: Kerstin Tscherpel
    Kerstin Tscherpel
  • 12. Juni
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 13. Juni

Wenn ich ehrlich bin, gehört Ordnung nicht zu meinen Stärken. Das zeigt sich ganz deutlich an meinem Schreibtisch – der ist unter Bergen von Papier und Kram kaum noch zu erkennen. Arbeiten kann ich dort schon lange nicht mehr. Deshalb sitze ich lieber am Schreibtisch meines Mannes, der deutlich aufgeräumter ist.

Der Schreibtisch meines Mannes - mein Ideal?
Der Schreibtisch meines Mannes - mein Ideal?

Früher dachte ich, Unordnung sei einfach eine schlechte Angewohnheit. Ein Erziehungsfehler, den man loswerden müsste. Heute weiß ich es durch die Auseinandersetzung mit dem Reiss Motivation Profile besser. Das ist ein Persönlichkeitsmodell, das erklärt, wie stark Menschen auf bestimmte Lebensmotive reagieren. Dabei lernt man auch, dass jedes Motiv seine Vor- und Nachteile hat. Mein Hang zur Unordnung hat den Vorteil, dass ich flexibel bin, gut improvisiere und mich von Überraschungen nicht aus der Ruhe bringen lasse. Menschen mit einem hohen Ordnungsmotiv – wie mein Mann – fühlen sich in solchen Situationen schnell gestresst. Ein Nachteil dieses Motives also.


Im Alltag prallen unsere unterschiedlichen Motivausprägungen oft aufeinander, z.B. wenn mir mein Mann mal wieder erklärt, wie man richtig eine Spülmaschine einräumt, denn es gibt ja auch nur _eine_ richtige Möglichkeit eine Spülmaschine einzuräumen! Dieser Kommentar von mir löst die Situation stets mit Humor auf.


Zurück zu meinem Schreibtisch. Jedes Mal, wenn ich etwas suche – was leider oft vorkommt – verfluche ich das Chaos. Dann nehme ich mir fest vor, endlich aufzuräumen. Ich stelle mir dabei ein Zen-Zimmer ohne Ramschecken oder Papierstapel vor. Und tatsächlich habe ich das Gefühl, dass mich das Chaos geistig erschöpft. Das Problem: Aufräumen erschöpft mich ebenfalls.


Meine Ordnungsversuche laufen dabei meistens so ab:


  1. Ich verfrachte alles aufs Bett – das ist am größten.

  2. Ich sortiere die Papierstapel. Danach gibt es noch mehr davon.

  3. Jetzt müsste ich sie abheften – und genau daran scheitert es.


Denn dafür fehlt mir nach dem Sortieren die Entscheidungskompetenz. Also verschiebe ich das Wegräumen auf später.

In der Zwischenzeit lege ich die Stapel ordentlich nebeneinander auf die Kommode – und weil die nicht ausreicht, auch auf den Boden davor. Im Bett will ich ja schlafen. Am nächsten Tag kommt unsere Maid, die so gar nicht indisch ist, wenn es um Ordnung geht und ihr ganz eigenes Ordnungssystem hat. Die Stapel stören beim Putzen – also legt sie alle zurück auf den Schreibtisch. Und meine mühsam erarbeitete Sortierung ist wieder dahin.


Leider gibt es hier keinen Service, der einem das Aufräumen abnimmt. Oder doch? Überraschenderweise gibt es in Delhi ein kleines Unternehmen, das à la Marie Kondo Ordnungshilfe anbietet. Natürlich nicht umsonst. Aber inzwischen bin ich so weit, dass ich ernsthaft überlege, das mal auszuprobieren. Mein Mann ist davon wenig begeistert und hält es für Geldverschwendung. Klar – er hat ja kein Problem mit Ordnung.


Mein einziger Trost: Die Zunahme von Unordnung ist ein Naturgesetz. Zumindest besagt das der zweite Hauptsatz der Thermodynamik. Und wer kann schon gegen ein Naturgesetz ankämpfen?

Ich habe dafür jedenfalls nicht die nötige Energie.

 
 
 

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