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AutorenbildKerstin Tscherpel

Heimweh

Obwohl wir uns hier gut eingelebt haben und ich auch glücklich bin, verspüre ich manchmal Heimweh. Ich vermisse die saftigen grünen Wiesen und den lichten Buchenwald mit seinem besonderen Geruch. Ich vermisse das melodische Gezwitscher der Amseln und die Spaziergänge in der Natur mit unserem Hund Sammy.

Ich vermisse Weihnachten mit richtigem Tannenbaum und Kälte. In Delhi ist es so gut wie unmöglich, einen echten Tannenbaum zu bekommen. Unseren Kaminofen, vor dem man es sich so schön gemütlich machen und dabei den tanzenden Flammen zuschauen konnte. Meine Mama die Weihnachtsente mit Klößen und Blaukraut macht. Oder den guten Zwetschgenkuchen, den es im Spätsommer zum Kaffee immer gibt und das Marmelade einkochen, nachdem man vorher die Früchte selber gesammelt hat.

Ich vermisse einfach die ausgeprägten Jahreszeiten. Besonders den Frühling und den Herbst, die hat man in Delhi eigentlich nicht wirklich. Hier wird die Temperatur einfach über ein paar wenige Wochen wärmer oder eben kälter und es blühen andere Bäume. In Deutschland erlebt man im Frühjahr eine regelrechte Blütenpracht, wenn das Leben wieder erwacht. Hier sehnt man sich nur danach, dass die Luftverschmutzung endlich aufhört. Was aber nur passiert, wenn es wieder richtig heiß wird. Weil nur dann die verschmutzte Luft aufsteigt, die im Winter über der Stadt wie eine Dunstglocke hängen bleibt.

Momentan vermisse ich den Herbst besonders. Die bunten Herbstblätter an den Bäumen und das Pilze sammeln im Wald. Das Kürbisschnitzen zu Halloween und danach die Vorweihnachtszeit mit Glühwein und Lebkuchen und Besuchen auf den Weihnachtsmärkten.


Ich vermisse tatsächlich auch die Sauberkeit und Ordnung in Deutschland und dass alles so gepflegt aussieht, besonders die Gebäude. Hierzu muss man vielleicht erwähnen, dass wir unser Haus im beschaulichen Schwäbisch Hall stehen haben. Das ist schon ein riesiger Unterschied zu Delhi. Selbst in unserem Viertel, das nur von gut Situierten bewohnt wird, ist es nicht so sauber und ordentlich, obwohl hier vor Privathäusern auch dauernd gefegt wird. Unser kleiner Markt in Anand Niketan sieht so vermüllt und runtergekommen aus, dass ich anfänglich dachte, ich bin im Ghetto gelandet und mich ganz unwohl dort gefühlt habe.


Ich vermisse die tollen Schwimmbäder und SPA-Anlagen, wo man sich so schön von der Hektik des Alltags erholen kann. Selbst sehr gute Hotelanlagen besitzen hier nicht solche Anlagen. Gute Hotels haben natürlich einen Pool und bieten alle möglichen Welnessbehandlungen an, aber sowas wie beispielsweise das Mawell in Langenburg gibt es nicht.

Mein kleiner Sohn vermisst besonders die Spaßbäder mit ihren Rutschen und die schönen Abenteuerspielplätze. Hier sind sowohl die Schwimmbäder als auch die Spielplätze so wie zu meiner Kindheit noch sehr schlicht. Ein Schwimmbad ist ein viereckiges Becken. Im besten Fall mit klarem Wasser. Die Spielplätze besitzen metallene Spielgeräte. Als da wären eine Rutsche, eine Schaukel, ein kleines Karusell und ein einfaches Klettergerüst. Kein Vergleich zu den liebevoll gestalteten Spielplätzen aus Holz, die Deutschland wie Abenteuerlandschaften aufgebaut sind, wo die Kinder viel entdecken können.


Ich vermisse die Ruhe. In Indien ist vieles sehr laut. Egal, ob es das Gehupe der Autos im Straßenverkehr oder die Musik an öffentlichen Plätzen oder bei Feiern ist. Auch die Lautstärke der Inder beim Telefonieren ist bemerkenswert. Alles ist deutlich lauter, als ich das aus Deutschland kenne, sogar die elektrischen Geräte sind lauter. So als hätten die Inder kein Empfinden dafür oder es stört sie einfach nicht.


Ich vermisse die Kartenabende mit meiner Familie, wo wir in gemütlicher Runde um den Tisch sitzen und meine Eltern mir mit gar nicht auffälligen Gesten mitteilen wollen, was sie als nächstes für einen Trumpf spielen. Den guten Rotwein, den es dabei immer gab, vermisse ich auch. Ok, ich gebe zu, dass das nicht etwas speziell deutsches ist, schließlich haben die Italiener auch sehr gute Weine.


Ich vermisse die vielen leckeren Apfelsorten wie Elstar und auch meine Lieblingsbeeren, Himbeeren. Natürlich genieße ich die unglaublich leckeren Mangos und Ananas, aber die Äpfel hier find ich nicht wirklich lecker. Es gibt auch kaum Auswahl an verschiedenen Apfelsorten und mir sind die, die es gibt, meist nicht sauer und knackig genug.


Jetzt hier im Vergleich, wo mir diese Dinge fehlen, wird mir ihr Wert bewusst. Das ist das Gute an einem Leben im Ausland. Es ändert die Perspektive und lässt einen Selbstverständlichkeiten wie den Wandel der Jahreszeiten mehr schätzen.

Ich freue mich auf jeden Fall sehr auf die leckeren Äpfel, wenn wir das nächste Mal zu Hause in Deutschland sind.



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