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AutorenbildKerstin Tscherpel

Mit dem Zug nach Rishikesh

Aktualisiert: 22. Apr. 2023

Der Tag beginnt viel zu früh, da hilft nicht mal mehr Kaffee. Unser Zug nach Rishikesh in die weltberühmte Hauptstadt des Yoga geht um 6:30 Uhr. Wir betreten den großen Bahnhof von New Delhi über den Hintereingang und selbst hier ist schon viel los. Unser Zug fährt von der VIP Plattform mit extra Entry und natürlich der obligatorischen Sicherheitskontrolle der Taschen. Nach dieser ist das Bild auf dem Gleis eigentlich gar nicht so anders wie auf einem deutschen Bahnhof. Nur dass hier eben mehr Menschen in bunten Gewändern und Saris auf den Zug warten. Wir haben für unsere kleine Reisegruppe im Wagon C2 Plätze gebucht. Im Gegensatz zu Deutschland fährt der Zug pünktlich ein und wir besteigen unseren Wagon. Von innen wirkt der Wagon schon etwas abgelebt, aber die Sitze sind sehr bequem, gut gepolstert und sogar mit verstellbarer Rückenlehne und Fußstütze. Das Ganze erinnert mich sehr ans Fliegen, nur dass man sich eben auf Gleisen bewegt. Es werden Getränke und Snacks und ein kleines indisches Frühstück in Form von leicht süßem Brot und scharfen Kichererbseneintopf serviert. Alle halbe Stunde kommt der Chaitee Kocher vorbei und bietet seinen Tee an. So zuckeln wir gemächlich durch die indische Landschaft.

Ich fahre zum ersten Mal hier in Indien Zug und irgendwie hatte ich mir das Ganze lange nicht so komfortabel und zivilisiert vorgestellt.

In meinem Kopf tauchen Bilder von völlig überfüllten Zügen auf, wo die Passagiere sogar auf dem Dach des Zuges mitfahren. Als ich das mit Verwunderung gegenüber unserem Reiseorganisator äußere, grinst er und meint, dass das heute nicht mehr erlaubt wäre, dass Leute auf dem Dach des Zuges mitfahren. Das könne man nur noch zu Festivals auf dem Land beobachten. Allerdings sind die 2. Klasse Züge, die an uns vorbeifahren, schon so voll, dass die Türen offen stehen und Passagiere auf den Trittbrettern stehen. Das sieht schon abenteuerlich aus. Gut, dass wir die teure, klimatisierte Kategorie gewählt haben.

Die Ticketkontrolle findet durch einen beleibten Sikh statt. Er läuft mit Touchpad durch den Gang schaut die Leute an und gleicht ab, ob der gebuchte Name zur Person passt. Dieses System wirkt für mich etwas willkürlich aber immerhin doch um einiges fortschrittlicher als die deutsche Papierticketentwertung.


Die Landschaft zieht durch das milchig beschlagene Fenster wie durch einen Schleier vorbei. Wir fahren durch Getreidefelder und durch das sanfte Geschaukel werde ich schläfrig. Ein plötzlicher, unsanfter Ruck reißt mich aus dem Schlaf. Wir stehen in einem Bahnhof. Als der Zug wieder losfährt fahren wir auf einmal rückwärts. Darüber bin ich sehr verwundert. Ich warte darauf, dass der Zug auf ein anderes Gleis umrangiert wird. Aber statt dessen nimmt der Zug sogar noch an Fahrt auf und fährt gefühlt die bereits zurückgelegte Strecke wieder zurück. Obwohl das ja nicht sein kann. Trotzdem finde ich es höchst irritierend, dass wir nun rückwärts weiterfahren. Es ist auch keine Kurve im Sinne eines U-Turns festellbar. Wie sollen wir denn so ankommen, frage ich mich. Aber in Indien ist alles möglich und tatsächlich kommen wir wider jeder Logik rückwärtsfahrend, pünktlich in Rishikesh an.


Rishikesh liegt direkt am Ganges und ist ziemlich trubelig. Wie viele indische Städte hat es meines Erachtens kein schönes Stadtbild und ist von vielen wohnblockmäßigen Bauwerken wie Hotels geprägt. Die Straßen sind voll von Touristen. Obwohl die meisten Häuser von vorne nicht besonders attraktiv und einladend wirken, findet man hinter engen Treppensteigen stylische Cafés und urige Restaurants mit Blick auf den Ganges.

Neben den Touristen ist die Stadt auch voll von Tieren, Hunde und Kühe und Affen an jeder Ecke. Das begeistert vor allem die Touristen. Ich beobachte wie ein Tourist einen Himalaya Langur anfassen möchte und sich dann aber doch durch seine gebleckten Zähne eines Besseren besinnt. Auch ich bin fasziniert wie nah sich die Affen herantrauen und während ich noch beobachte wie der Affe keinen halben Meter entfernt vorbeischlendert, klaut er dreist meine  Schokokekspackung aus dem offenstehenden Rucksack direkt vor meinen Augen. In windeseile flieht er damit über die Dächer. Natürlich ist mir klar, dass ich meine Schokokekse abschreiben kann und verbuche das unter „selber Schuld!“. Schließlich habe ich schon genügend Berichte über die flink stehlenden Affen gehört. Bei Freunden von uns wurden die Bananen aus der Obstschale durch das offene Küchenfenster geklaut und sogar die Zigaretten auf dem Balkontisch.


Rishikesh ist nicht nur Yoga Hochburg sondern auch Touristenmagnet wegen der heiligen Ganga, dem zweitgrößten Fluss Indiens. Die Hindu baden darin, um sich reinzuwaschen. Das Wasser des Ganges ist türkisblau und sehr kalt. Es gehört also schon einiges an Überwindung dazu, darin zu baden und dreimal unterzutauchen. Ich hatte es mir ja tatsächlich auch überlegt, nachdem ich aber mit den Füßen drinstehe und mir der Schmerz die Waden hochsteigt, wie beim Kneipen, verwerfe ich den Gedanken schnell wieder. Stattdessen

kaufen wir kleine Blätterboote, die gefüllt sind mit Blüten, einem Räucherstäbchen und einer kleinen Kerze. Diese zündet man an und gibt sie in den Ganges. Das religiöse Ritual heißt Ganga Aarti. Viele dieser Blütenboote treiben bereits an uns vorbei und ich sehe einen Jungen, der diese mit einem langen Stock aus der Strömung angelt. Das irritiert mich etwas, da diese Blütenschalen doch im Ganges der Göttin geopfert werden sollen. Später finde ich heraus, dass manche auch Münzen oder Schmuck in die Schalen geben und das ist für die Armen natürlich reizvoll.


Ein weiteres Highlight in Rishikesh ist der Beatles Ashram. Dieser befindet sich etwas außerhalb und dient jetzt nur noch dem Sightseeing. Die zerfallenen Gebäude sind in einer weitläufigen Grünanlage, in der sich die Besucher schnell vereinzeln, wodurch man die spezielle sphärische Stimmung dort besonders genießen kann. Es gibt ein kleines Café, in dem man bei einem Chai wunderbar die Seele baumeln lassen kann, oder man erkundet die kleinen runden Dome, die der Meditation dienten und ein bisschen an Hobbithäuser erinnern. Die kleinen Häuschen sind aus runden Flusskieseln errichtet und schneckenhausartig in zwei Stockwerken aufgebaut. Unten ist ein winziger Raum mit winziger WC-Nische und über eine Treppe erreicht man die obere domförmige Kuppel in der Größe eines kleinen Iglus. Hier hat man durch eine kleine bogenförmige Öffnung Zugang und Blick nach draußen beim Meditieren. Viele der kleinen Dome besitzen bunte, psychedelische Deckenmalereien. Ob die wohl helfen, um sich in den vergeistigten Zustand zu versetzen oder eher Produkt des Haschkonsums sind, der hier in Indien nicht unüblich ist, kann ich nicht beurteilen. Die Medititationshäuschen sind in einer Vielzahl, dicht an dicht, unter Bäumen auf dem Areal zu finden und ich frage mich, ob die Gäste hier tatsächlich gewohnt haben. Das wäre mir glaube ich zu klaustrophobisch und spartanisch gewesen, alles so eng und klein.

Um so größer sind die Beatles hier verewigt. In einer großen Halle findet man die Beatles auf riesigen Wandgemälden thronen. Dies lädt natürlich zu Selfies und Fotoshootings zur Erinnerung ein. Überhaupt bietet das Gelände des Ashrams schöne Fotokulissen, so dass die Zeit das Gelände zu erkunden, gar nicht ausreicht.

Abends schließt der Ashram nämlich leider relativ früh, weil er wohl ab und an auch von Tigern aus dem nahen Rajaji Nationalpark besucht wird. So ist man gezwungen, bereits vor der Dämmerung den magischen Ort zu verlassen.

Wie schade.


Rishikesh ist sicher eine Reise wert und es gibt bestimmt noch viel mehr zu entdecken, als dieser kurze Eindruck, den ich den zwei Tagen gewinnen konnte.






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