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AutorenbildKerstin Tscherpel

Von Mandawa nach Bikaner

Auf dem Weg nach Bikaner wird die Vegetation deutlich karger und erinnert schon fast an afrikanische Steppe. Unterstützt wird der Eindruck durch die Nilgai-Antilopen, die man ab und zu sieht. Diese Tiere sehen aus wie eine Mischung aus Kuh, Hirsch und Antilope. Der Kopf wirkt viel zu klein für den muskulösen Oberkörper, irgendwie grotesk und unproportional.

Wir sehen immer öfter Kamele in der Landschaft. Manchmal mit Hirte oder mit zusammengebundenen Vorderfüßen, damit sie nicht zu weit weglaufen. Die mit den zusammengebundenen Füßen tun mir schon Leid, wie sie in kleinen Minischritten von einem Baum zum nächsten stüppeln.


Wir fahren eine endlose gerade Straße entlang. Sowohl die Fahrzeuge als auch die Menschen und Ansiedlungen werden immer weniger, je weiter wir Richtung Westen fahren. Am Straßenrand begleitet uns weiter der Anblick von Ziegen und natürlich Kühen die an den kargen Büschen nach nahrhaftem Grün suchen. Im Straßengraben sieht man vereinzelt ausgebleichte Knochen und hin und wieder den Kadaver einer verendeten Kuh. Als ich unseren Fahrer darauf anspreche, ob diese Kühe verdurstet oder verhungert sind, meint er, dass ab zu eine angefahren wird, die dann eben tot im Straßengraben liegt. Bei so vielen Kühen wie hier auf der Straße unterwegs sind, ist es eigentlich verwunderlich, dass nicht noch viel mehr angefahren werden. Wir fahren oft regelrecht Slalom um die Kühe herum, die die Straße überqueren.

 

Wir machen halt an dem berühmten Rattentempel, der in der Nähe von Bikaner ist. Hier sind die Ratten heilig und dürfen keinesfalls verletzt oder getötet werden.

In Indien darf man Tempel nur barfuß betreten. Also geben wir unsere Schuhe vor dem Tempel ab.

Obwohl oder vielleicht weil ich Biologin bin, bin ich angeekelt von diesem Ausmaß an Dreck und Ratten in jeder Ecke. Sofort habe ich Assoziationen ans Mittelalter und die Pest. Ich schaue mir die Ratten ganz genau an, kann aber keine Flöhe entdecken. Ich bin mir aber auch nicht sicher, um welche Art Ratte es sich handelt.

Der Boden ist überseht mit altem Futter, Körnern, und Kot von Ratten und Tauben, die das massenhafte Futterangebot auch nutzen. Es riecht auch dementsprechend und ich bin froh, als wir den Tempel wieder verlassen. Beim Hinausgehen werde ich noch von einem Inder darauf aufmerksam gemacht, meine Füße nicht zu sehr anzuheben, da ich sonst eine Ratte zertreten könnte.

Die Ratten werden hier verehrt, da die Inder glauben es wären ihre wiedergeborenen Nachfahren.

Wenn man als Ratte wiedergeborene wird, dann hat man hier auf jeden Fall ein gutes Rattenleben, massenhaft Futter und keine Gefahren. Vor dem Tempel stehen sogar große Lebendfallen für Katzen, damit den Ratten ja nichts passiert. Die meisten Ratten sehen auch echt gesund aus, mit glänzendem Fell und verspielt. Die Jungtiere jagen sich auf den Seilen, die zur Abgrenzung dienen, und die Erwachsenen Tiere schlafen entspannt mitten auf Pfosten oder dem Boden.


Es soll wohl Glück bringen, wenn einem eine Ratte über den Fuß läuft. Trotzdem bin ich froh, dass mir keine über den Fuß gelaufen ist, bis ich wieder draußen bin.

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