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Wie lebt es sich in Delhi?

Autorenbild: Kerstin TscherpelKerstin Tscherpel

Die einfache Antwort ist: eigentlich gut.


Allein der Luxus einer Haushaltshilfe, die einem das ganze leidige Geputze täglich abnimmt oder auch der Koch, der jeden Abend ein warmes Essen zaubert ist echt Luxus. Auch der Fahrer, der uns und die Kinder gelassen von A nach B kutschiert, ist sehr entlastend. Ich würde nicht selbst fahren wollen. Zu chaotisch ist der indische Verkehr und zu eng zwängen sich die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer oft aneinander vorbei.

Unser Appartment ist fast vollständig mit schönen indischen Palisanderholzmöbeln eingerichtet. Natürlich fehlt hier noch das eine kleine Schuhregal und vielleicht ein Schrank im Flur. Aber man kann gut darin leben. Langsam weiß ich auch, welcher der vielen Schalter für welches Licht ist. Luftfilter für die Phase des Smogs in den nächsten drei Monaten haben wir auch besorgt. Eventuell brauchen wir noch ein paar zusätzliche Heizgeräte in den Zimmern für den Winter. Das werden wir sehen. Noch kann ich mir nicht vorstellen, dass es kalt wird, zu lange leben wir jetzt bei kontinuierlichen 30 Grad. Nur nachts kühlt es jetzt zunehmend ab.

Mein Sohn vermisst noch seinen Computer und sein Skateboard. Der Computer steht schon auf der Liste der noch zu kaufenden Dinge, das Skateboard gestaltet sich hier etwas schwieriger.

Auch das Einkaufen von Klamotten ist hier etwas schwieriger oder vielmehr ungewohnt. Viele Marken, die wir in Deutschland gewohnt waren und bevorzugt haben, gibt es hier nicht und auch kein Zalando, so dass man erst mal entsprechende Alternativen in den Malls finden muss.

Was die Lebensmittel angeht, haben wir jetzt unsere Quellen für den täglichen Bedarf, nur der Fleischeinkauf gestaltet sich noch als schwierig sobald es über Chicken hinaus geht. Daher werden wir jetzt Lieferdienste probieren, die uns empfohlen wurden. Brot, auch gutes Roggen mit Sauerteig, bekommt man z.B. bei L‘Opera. Das heißt dann Pumpernickel.

Meine Kinder vermissen gutes deutsches Essen. Sobald wir aber gutes Fleisch besorgt haben, steht das auch wieder auf dem Speiseplan.


Die Arbeit in der Deutschen Schule stellt eigentlich keinen großen Unterschied zu unserem früheren Leben in Deutschland dar.

Das Umfeld der Schule, Gebäude und Ausstattung, sind zwar viel schlechter, da es ja ein Übergangsgebäude ist, bis der Neubau fertig ist, aber die Arbeit ist gleich.

Meine Kinder sind sofort von ihren Klassenkameraden aufgenommen und integriert worden, auch jahrgangs-übergreifend, weil die Klassen so klein sind. Das ist schön zu sehen.


Das Leben auf den Straßen, mit dem man konfrontiert wird, und das für uns am Anfang einfach nur verstörend war, ist mehr zur Normalität geworden. Die immer gleichen Bettler an der Kreuzung auf dem Schulweg sind bekannte Gesichter geworden. Mittlerweile klopfen sie auch nicht mehr so aufdringlich an die Scheiben, oder sie gehen gleich weiter, wenn man den Blick abwendet oder mit dem Kopf schüttelt.

Zu speziellen Anlässen, wie dem indischen Nationalfeiertag, verkaufen sie auf einmal alle indische Flaggen. Dadurch bin ich mir sicher, dass sie irgendeiner Bettler-organisation angehören. Geld geb ich mittlerweile keins mehr. Ab und zu geb ich den Kindern eine Packung Kekse raus. Nur bei Frauen mit kleinen Babys fällt es mir noch schwer, hart zu bleiben. Dann blutet mein Mutterherz und ich bete darum, dass die Ampel endlich auf grün umschaltet und wir weiterfahren können.


Jetzt im Vergleich zum ländlicheren Rajasthan wirkt Delhi, vor allem New Delhi, regelrecht strukturiert und aufgeräumt. Obwohl auch in Delhi im Vergleich zu Deutschland relativ viel Müll rumliegt, ist das in den Dörfern und Städten von Rajasthan eine andere Dimension. Hier läuft man über einen Boden, der mit Müll und Fäkalien überseht ist, so dass man immer aufpassen muss, wo man hintritt. Wie sauber ist da New Delhi.


Den Gesamteindruck zu fassen, ist schwer zu beschreiben. Rückblickend erscheint Deutschland regelrecht klinisch. Alles ist aufgeräumt und geordnet. Die Alten, Kranken und Armen sind in speziellen Unterkünften verwahrt, so dass man damit im Alltag nicht konfrontiert ist. Daher ist es hier erst mal schockierend, alle Facetten des Lebens zu sehen, auch Armut, Krankheit und Tod. Oft bin ich froh, dass ganze nur aus dem Auto heraus zu sehen.


Ist das kleine Mädchen, das da unter der Brücke auf der Erde sitzt unglücklich? Ich weiß es nicht. Ich habe während des Ampelstopps beobachtet, wie es versunken in der Erde gespielt hat und die Krähen beobachtet hat, die nur wenige Meter entfernt nach Futter suchten. Natürlich war die Kleine überall mit staubiger Erde bedeckt, aber unterernährt sah sie nicht aus. Ihre Eltern lagen neben ihr auf einer Matratze und schliefen. Die Inder schlafen hier auch mitten am Tag überall, wo es sich anbietet, am Straßenrand, auf einer Sitzbank oder in ihren Tuk Tuks. Daher ist das nicht ungewöhnlich. Der Mann scheint eine Fahrradrikscha zu besitzen, die man im Hintergrund sieht. Die Familie scheint also nicht zu den Bettlern zu gehören.


Ich habe mir für Indien vorgenommen, das was ich sehe, nicht zu werten, sondern nur zu beobachten. Ich sehe ein Land, indem alle Facetten des Lebens sichtbar sind auch die der Ärmsten.



Auf der anderen Seite ist das Leben hier auch viel bunter, lauter und irgendwie natürlicher. Die Frauen mit ihren bunten Saris, oft mit Baby oder Kleinkind auf dem Arm, die Männer, die zusammen unter einem schattigen Baum Chai trinken und die Kinder, die in großen Gruppen zusammen auf der Straße spielen, die bunten trubeligen Märkte, überall brodelt das Leben.


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