Wir krempeln unser Leben um
- Kerstin Tscherpel
- 16. Mai
- 3 Min. Lesezeit
In Deutschland leben wir in einem kleinen beschaulichen Reihenendhaus im pittoresken Schwäbisch Hall. Dort haben wir es uns die vergangenen Jahre schön gemacht, bis wir nach Indien ausgereist sind. Im Sommer kann man dort in unserem kleinen Garten unterm Kirschbaum sitzen und die Seele baumeln lassen. Jetzt, wo wir aber in New Delhi leben und das voraussichtlich die nächsten Jahre auch noch so bleibt, haben wir beschlossen, das Haus zu verkaufen.
Ich träume ja immer noch von meinem kleinen Häuschen am Waldrand mit Hühnern hinterm Haus. Und tatsächlich hat mich der Kauf des Hauses damals deswegen auch desillusioniert. Daher löst der Verkauf unseres Hauses nun umgekehrt ein Gefühl von Freiheit aus. Alles ist nun wieder offen und das kleine Haus am Waldrand rückt wieder in realistische Nähe.

Natürlich ist es nicht so einfach, ein Haus aus dem Ausland zu verkaufen. Deswegen haben wir uns für einen Makler entschieden. Dieser hat in einem ersten Gespräch auch einen guten Eindruck gemacht. Nun sind unsere Ansprüche vielleicht etwas hoch, da wir ja in Indien durch unseren Makler sehr verwöhnt wurden. Indische Makler sind quasi rund um die Uhr erreichbar, informieren einen über jede Neuigkeit in der eigens gegründeten WhatsApp-Gruppe und sind über die Wohnungsvermittlung hinaus darauf bedacht, einem bei der Lösung eines jeden Problems zu helfen.
Die Kommunikation mit unserem deutschen Makler ist bestenfalls als ausreichend zu beschreiben. Er besteht auf die Kommunikation per E-Mail an meinen Mann. Wir haben natürlich eine entsprechende WhatsApp-Gruppe nach indischem Vorbild gegründet. Aus dieser ist die Mitarbeiterin unseres Maklers, die die Terminvereinbarungen organisieren soll, erst mal ausgetreten. Schließlich sei es ja ihr Privathandy und dann könne sie nicht abschalten, meinte sie entschuldigend. Es ist ja nicht so, dass man Gruppen auch stumm schalten oder archivieren könnte. Daher kommuniziert diese Mitarbeiterin nun bilateral mit Kaufinteressenten und unser Makler vermittelt dann an unsere Tochter, die derzeit noch in dem Haus wohnt und über Besichtigungen informiert sein sollte. Irgendwann wird dann mein Mann informiert und wenn ich Glück habe, wird diese Nachricht dann an mich weitergeleitet.
Ich hatte mir das eigentlich so vorgestellt, dass wir zumindest täglich über Anfragen und Interessenten auf dem Laufenden gehalten würden. Aber das ist in Deutschland wohl undenkbar. Schnell ist mir klar, dass ich mich von dieser Vorstellung wohl verabschieden muss. Den Sinn der WhatsApp-Gruppe hat unser Makler bis jetzt nicht verstanden und kommuniziert dann lieber per Sprachnachricht nur mit meinem Mann. Das nervt mich schon. Schließlich bin ich unglaublich neugierig und habe das Projekt unseres Hausverkaufs mit freudiger Erwartung begleitet. Jetzt habe ich permanent das Gefühl, als letzte informiert zu werden. Mein Mann gibt sich redlich Mühe, mich auf dem Laufenden zu halten. Trotzdem wünsche ich mir Tony. Das war unser indische Makler, mit dem wir auch unsere zweite Wohnung hier in New Delhi gefunden haben. Jeder deutsche Makler könnte sich eine Scheibe von dieser Kundenorientierung abschneiden. Vielleicht sollte ich Tony empfehlen, als Nebeneinkunft Fortbildungen für deutsche Kollegen anzubieten. Das würde den Markt der deutschen Immobilienmakler regelrecht revolutionieren. Aber Tony hat für so etwas bestimmt keine Zeit, da er ja so viel mit seinen Kunden hier in Indien chattet.
Trotz all der deutschen Schwerfälligkeit haben wir Käufer gefunden und erwarten nun mit der Vertragsunterzeichnung bald den Abschluss des Projekts.
Im Sommer werden wir ein letztes Mal in unser Haus zurückkehren und dann mit all dem konfrontiert werden, was wir über die letzten Jahre und Jahrzehnte angesammelt haben.
Ich möchte mit der Entrümpelung des Hauses auch mein Leben entrümpeln und mich von dem vielen Ballast befreien, den man sich über die Jahre anschafft. Denn im Gegensatz zu Indien muss ich alle Kisten selbst packen.
Allerdings verursacht die Vorstellung kein Zuhause mehr in Deutschland zu haben, schon eine seltsames Gefühl.
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