Immer wenn wir Heimaturlaub in Deutschland machen, fällt mir auf, wie groß der Unterschied zwischen den beiden Welten ist, in denen wir jetzt leben.
Ich freue mich auf Deutschland und genieße das Grün um mich herum sehr. Ja, ich sauge es regelrecht auf und das, obwohl Delhi wirklich eine grüne Stadt ist. Der Anblick der Felder und Wälder lässt mir das Herz aufgehen. Ich atme die frische Luft und nehme den Geruch nach gemähter Wiese wahr und lausche dem vielfältigen Gezwitscher der Vögel im Schatten unseres Kirschbaumes bei einem guten Buch. Ach, wie schön.
Zum Frühstück gibt es gutes deutsches Brot mit Butter und selbst gemachter Erdbeermarmelade. Hmmm – lecker.
Ich besuche meine Eltern und wir spielen Schafskopf. Alles sehr gediegen und familiär.
Ich gehe im Wald spazieren, muss aber hier in Deutschland fast mehr Insektenrepellent verwenden als in Delhi. Die Mücken scheinen wie ausgehungert und die Zecken sind eine Plage. Natürlich gibt es in Delhi auch Moskitos. Aber diese sind gegen die deutschen Mücken träge und langsam. Man hat genügend Zeit, ihnen beim Anflug zuzusehen und sie rechtzeitig totzuschlagen. Anders die deutschen Mücken. Die stürzen sich im Steilflug mit ausgefahrenem Stechrüssel auf einen herab, sodass man gar keine Chance hat, nicht gestochen zu werden. Zum Glück übertragen die Mücken in Deutschland keine Krankheiten. Dafür muss man aber mit den Zecken umso vorsichtiger sein. Deutschland erscheint uns fast gefährlicher als Indien und das ist schon etwas bizarr.
Wie bereits bei unserem letzten Besuch, ist es, als sei die Zeit in Deutschland stillgestanden. Kaum etwas hat sich verändert. Dieselben Baustellen erschweren einem das Vorankommen und wenn überhaupt, sind sie höchstens größer geworden. Noch ein paar Geschäfte in der Innenstadt haben geschlossen. Aber das meiste ist wie eh und je und das schließt Veränderungen im Leben der Menschen um uns herum ein. In Delhi ändert sich so viel. Fast alle, die wir kennen, sind inzwischen einmal umgezogen und ständig gibt es was Neues. Angefangen bei den Personen, die weg- oder zuziehen, bis zu Geschäften, die plötzlich abbrennen.
In Deutschland gibt es nur eine Sache, die sich in dem einjährigen Abstand, in dem wir es besuchen, deutlich verändert und das sind die Preise.
Der Schock trifft mich bei Aldi an der Kasse. Eigentlich war das ja klar und obwohl ich versucht habe, mich psychisch zu wappnen, bereitet mir die Summe trotzdem fast körperliche Schmerzen. Dabei haben wir nur Lebensmittel gekauft. Das Einzige, was die Preise in Deutschland erträglich macht, ist der Gedanke daran, dass es nur Urlaub und somit vorübergehend ist und wir bald wieder in Delhi sind.
Trotzdem verlasse ich dieses Mal Deutschland mit etwas Wehmut. Das ist neu für mich. Vielleicht liegt es daran, dass meine Eltern und besonders mein Papa jetzt so alt sind, dass ich das Gefühl habe, die Zeit mit ihnen ist nicht mehr unbegrenzt. Oder Delhi ist mir mittlerweile so vertraut, dass der Kick des Neuen nicht mehr derart vorhanden ist. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beiden. Außerdem begeistert mich die Aussicht auf den bevorstehenden Arbeitsalltag auch nicht gerade und die sechs Wochen Urlaub sind mal wieder viel zu schnell vergangen.
Am Donnerstag in der Nacht kommen wir wieder im Tropenhaus Delhi an. Ich steige aus dem Flugzeug aus und die Delhiluft löst tatsächlich ein wohliges Gefühl von Heimat in mir aus und das, obwohl sie nicht gerade gut riecht.
Abends sind wir schon auf die erste Party eingeladen. Meine beste Freundin gibt ihre Abbruchparty. Sie zieht mit ihrer Familie auf den nächsten Posten nach Kuala Lumpur. Der Alkohol muss weg und so betrinken wir uns nach meinem ersten Arbeitstag erst mal mit Gin Tonic.
Am nächsten Morgen entdecke ich eklige weiße Maden, die mir aus dem Schrank entgegefallen, nachdem ich die Tür öffne. Sofort ist mir klar, dass das bestimmt Termiten sind. Da hilft nur noch die Pestcontrol. Ich bestelle den Service über die UCApp und montags kommt die Pestcontrol dann. Sie sind zu zweit und haben große Giftflaschen dabei.
Alle Kleiderschränke müssen behandelt und vorher ausgeräumt werden. Der Pestcontrol Mensch hat wohl wirklich Ahnung von seinem Job. Das ist hier in Indien bei Handwerkern nicht selbstverständlich. Er bohrt Löcher in die Schrankwand, in die er das Gift spritzt. Die ganze Prozedur für alle Wandschränke in unseren vier Schlafzimmern dauert zwei Stunden und kostet umgerechnet etwa 80 Euro. Wie froh ich bin, hier in Delhi zu sein. Ich versuche mir vorzustellen, wie ein solcher Befall in Deutschland abgelaufen wäre. Wahrscheinlich hätte es erst mal wochenlang gedauert, bis überhaupt jemand Zeit gehabt hätte, den Befall sachkundig zu bekämpfen und das wäre bestimmt auch wieder kostspielig gewesen.
Das trubelige Leben in Delhi hat uns wieder und wir haben die Pausetaste Deutschland verlassen.
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